Auf den Flächen des ehemaligen Ausbesserungswerks der Bahn am Nordbahnhof Stuttgart wurden zu Beginn des Jahres 2012 Maßnahmen zur Dekontaminierung durch die Stadt Stuttgart durchgeführt. Erst dadurch war es möglich, die so entstandene große Schotterfläche einer grünen Nutzung zu überführen.
Da die öde Brache inmitten der Stadt und in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem kulturell sehr lebendigen Wagenhalle e.V. unwirtlich und triste anmutete, bestand auch von Seiten der Pächter und Betreiber des Kunstvereins und des Veranstaltungsbetriebes großes Interesse, die Flächen mit Leben zu füllen. Langfristig soll hier ein neues Wohnquartier entstehen. Noch ist jedoch eine Zwischennutzung möglich, die den umliegenden Bewohnern und Nutzern eine Steigerung der Lebensqualität verspricht.
Im Rahmen des Architekturfestivals „72 Hours Urban Action“ im Sommer 2012 hatten sich im Stuttgarter Norden, auf den Flächen des Kunstvereins, Architektur- und Agrarwirtschaftsstudenten, Landschaftsarchitekten und weitere Beteiligte zusammengefunden, um ein Gemeinschaftsgarten-Projekt zu realisieren. Die Initiative begann unter dem Titel „Action Gardening“ aus der Idee heraus, die Teilnehmer des Architekturfestivals mit Küchenkräutern, Salaten und schnell wachsendem Gemüse zu versorgen. Da zwischen dem Start des Projekts und dem Beginn des Festivals nur ca. 2 Monate zu Verfügung standen, war das Ziel nur mit ausreichend „Action“ zu realisieren. Mit Rückhalt durch den Pächter der Flächen (Wagenhallen GmbH & Co.KG / Stephan Karle), sowie den Nutzern (Kunstverein Wagenhalle e.V.), ist es gelungen aus eigener Kraft und mit vielen freiwilligen Helfern das gemeinnützige Gartenprojekt auf ca. 2000 qm Fläche ins Leben zu rufen.
Um auf der geschotterten Brache das Wachstum von Pflanzen überhaupt zu ermöglichen, war es zunächst nötig Mutterboden zu beschaffen. Zur großen Freude der Stadtgärtner wurden durch Karle-Recycling und dem Erdbauunternehmen Karl Fischer 30 LKW-Ladungen Oberboden von einer Baustelle geliefert, anstatt auf einer Erddeponie als Abraum entsorgt zu werden. Die Garten- und Landschaftsbau Firma Jakob stellte eine Bodenfräse bereit, um das Saatbeet vorzubereiten. Die Universität Hohenheim sowie die Bingenheimer Saatgut AG haben uns mit Saatgut-Spenden unterstützt. Gartengeräte wurden von der Firma Gardena gesponsert. Jetzt war es möglich, im Zuge einer öffentlich angekündigten Aktion auf der Brache ein Sonnenblumenfeld anzusäen. Das Konzept der urbanen Gärtner sah vor, das Sonnenblumenfeld als Rahmen um die Gemüsebeete zu pflanzen, da die exponierte Lage, das industrielle Umfeld sowie einige Baustellen nach Schutz verlangten.
In gemeinschaftlicher Arbeit wurde die Ansaat von Sonnenblumen, Mais und Amarant gehegt und gepflegt und ein Gießdienst organisiert. Bald stellte sich heraus, dass dem rein mineralischen Boden die Nährstoffe und Wasserspeicherkapazität fehlen. Prompt wurden viele Fuhren Pferdemist organisiert, der kompostiert und auf die Fläche gebracht wurde. Untersaaten von Phacelia, Senf und Klee sollten die Bodenstruktur verbessern und Stickstoff im Boden anreichern. Zusätzlich wurden die frisch angelegten Gemüsebeete mit Kompost und Regenwürmern aus der Nachbarschaft versorgt.
Durch den auslaufenden Pachtvertrag und die zukünftige Bautätigkeit auf den Flächen wird das Projekt früher oder später enden. Doch wird mit dem Gemeinschaftsgartenprojekt die Chance einer temporären Duldung und Zwischennutzung optimal genutzt, um die Stadt ein Stück lebendiger und lebenswerter zu gestalten. Auch nach den Zeiten des Stadtackers werden sich Flächen in der Stadt finden, die mit entsprechender Motivation und Gestaltungswillen in eine grüne Oase verwandelt werden können.